Abschied und Schmerz
Und hiermit endet meine Zeit in Waegwan. Noch einmal über das große Gelände schlendern. Noch einen vollen Gottesdienst erleben (der letzte Sonntag war so überfüllt, dass ich nur noch auf der Empore Platz fand). Noch ein paar letzte Verabschiedungen um am Montag nach dem Frühstück nach Seoul zu fahren.
Doch zuvor musste ich meine Pflicht in der Kerzenfabrik
erfüllen. Ich konnte die Leiden des alten Sisyphos nachempfinden, als jeden
Nachmittag eine weitere Kiste auf meinem Tisch stand, doch wurde ich von Bruder
Romano aus dem Tartaros befreit, als er mir am Freitag einen Ausflug anbot.
Nicht unweit von Waegwan entfernt befindet sich ein alter buddhistischer Tempel namens Haeinsa. Dieser befindet sich in einem sehr schönen Naturschutzgebiet, das langsam die gelb-roten Herbstfarben annimmt und mehr Ruhe bietet als die Stadtumgebung von Busan. Nun war das Tempelareal wie zu erwarten gestaltet. Die vier Himmelskönige bewachen den Eingang, viele traditionelle Gebäude und goldene Buddhas, die von haarlosen Mönchen besungen werden.
Besonders sind allerdings die eingelagerten Holzplatten. Auf
einer Anzahl von 81.258 Stück befindet sich der gesamte buddhistische Kanon
eingraviert. Somit konnten die Texte im Buchdruckverfahren verbreitet werden.
Dies war auch nötig, da die mongolischen Invasoren die erste Plattensammlung
bereits zerstörten und weitere Angriffe zu erwarten waren.
Die Anzahl hat natürlich eine Bedeutung. Die 81 gilt als heilige und glücksbringende Zahl, da sie das Quadrat von 9 ist, welche für Vollständigkeit und Perfektion steht. Fasziniert war ich von ihrer Aufbewahrung. Auf den ersten Blick wurden die Platten in einfachen Holzgebäuden eingelagert, doch der Bau ermöglicht eine optimale Luftzirkulation, die Wandmaterialien ermöglichen eine natürliche Feuchtigkeitsregulation und die Steinfundamente verhindern die Ansammlung von Bodenfeuchtigkeit. Und das alles im 13. Jahrhundert! Und so lagern die Platten auch heute noch, auch wenn Mongolenangriffe heute seltener geworden sind.
Einen Gedanken möchte ich noch teilen. Um die repetitive Kerzenarbeit angenehmer zu gestalten, bin ich zu einem fleißigen Joe Rogan Podcast-Hörer geworden. Er führte einige Gespräche mit Mike Tyson über die Härten des Kampfsportes. Dabei äußert er etwa folgendes: „Das Schlimmste das mir je passiert ist, ist das Schlimmste das mir je passiert ist.“ Was ist das Schlimmste, das einem wohlbehütet jungen Mann in der zivilisierten Welt geschehen kann? Ich bekomme die Beförderung nicht, die hübsche Frau weist mich ab, meine Freunde haben keine Zeit für mich. Das sind nicht nur ziemliche Banalitäten, es sind Alltäglichkeiten. Das bedeutet aber wiederum, dass mir (nach meinem Maßstab) regelmäßig schreckliche Dinge passieren. Das heißt? Finde den Schmerz, der dich befreit? Na ja, ich weiß auch noch nicht, was ich mit dem Gedanken anfangen soll.
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