Wein und Blut
Das ist mein Blut, das Blut des Bundes, das für viele
vergossen wird. – Matthäus 26,28
Der Wein hat eine immense Bedeutung in der katholischen
Kirche. Laut Kirchenrecht muss das „Blut“ aus unverdorbenen Trauben bestehen um
eine gültige Eucharistie zu ermöglichen. Darauf bestehen selbst die kleinen
christlichen Gemeinden im Gaza-Streifen, welche alkoholhaltigen Wein erhalten,
auch wenn die streng-muslimische Regierung sonst jedes berauschende Getränk
unter strengen Strafen verbietet.
Doch um Wein zu trinken, muss dieser zuerst gekeltert werden und am ersten Schritt konnte ich diese Woche teilnehmen – der Traubensammlung. Aufgrund des Krieges kann das Trappisten-Kloster nicht mehr auf seine üblichen Erntehelfer zugreifen, weswegen sie den Aufruf zur Hilfe starteten. Diesen erhörten nicht nur einige Volontäre der Dormitio, sondern ganz diverse Gruppen, sodass wir gemeinsam vor dem Sonnenaufgang zusammenkamen, um im ersten Tageslicht die Weintrauben zu ernten.
Der Pinot gris wuchs dabei recht nahe am Stamm und konnte sich darum wickeln, sodass es gar nicht so einfach war, die Reben abzuschneiden, doch mit etwas Übung (und bei Bewahrung aller zehn Finger) füllten wir unsere Eimer und damit den Anhänger unseres Traktors.
Bis zur Tageshälfte hatten wir unseren Weinstock von seinen Früchten befreit und begaben uns leicht erschöpft in das Trappistenkloster. Dort erhielten wir eine Führung durch die enorme Kellerei und bekamen gezeigt, was in den nächsten Monaten mit unseren Trauben geschehen wird.
Nach einem spendierten Mittagessen und dem Mittagsgebet in
der Klosterkirche machten wir uns auf den Rückweg nach Jerusalem. Natürlich
habe ich es mir nicht nehmen lassen, eine Flasche Wein mitzunehmen, doch diese
werde ich erst zu passender Gelegenheit öffnen. Ein Geschmacksbericht wird
folgen.
Mein nächstes Ausflugsziel war Yad Vashem, die Holocaust-Gedenkstätte in Jerusalem. Mal wieder ein sehr fröhliches Thema… Gab es überhaupt nur einen Israel-Blogeintrag, der nicht einen Abschnitt über politisch-religiöse Konflikte und dem einhergehenden Mord und Totschlag hatte?
Die Gedenkstätte besitzt auf einem umfangreichen Grundstück
ein großes und bestens aufbereitetes Museum. Da wir beim Eingang gebeten wurden,
keine Bilder zu machen, kann ich kein visuelles Material aus dem Inneren
präsentieren.
Der Bau ist als langes Dreieck gestaltet, dass mit der
kulturellen Abwertung der Juden beginnt und über die Judenverfolgung die
Massenermordung thematisiert. Im Vergleich zu einem deutschen Museum wurde die
Ausstellung noch mit den nachfolgenden Jahren und der Gründung Israels gefüllt.
Alles sehr ansprechend aufgebaut, mit Bildern und
Originalgegenständen gefüllt, zeigt das Museum „wie es so weit kommen konnte“. Doch
schlussendlich zeigten mir die Ausstellungsstücke nichts Neues, das nicht schon
dutzendfach im Schulunterricht durchgekaut wurde.
Doch neu war es, dies in Israel zu sehen. Im Buch „Ganz normale Männer“ wird eine mehrstündige Hinrichtungsorgie an einem polnischen Dorf beschrieben. Die Juden wurden in den Wald geführt, mussten sich auf den Boden legen, damit der Soldat auf den Nacken zielen konnte und abdrücken. Trotz des Wissens um den eigenen Tod wie den Tod der Liebsten, wurde diese Situation kampflos akzeptiert. Nun lässt sich kaum nachvollziehen, welche psychologischen Prozesse bei solch einem Ereignis ablaufen, doch von außen betrachtet wurde die Opferrolle einfach akzeptiert. Partisanen, wie sie mit übergroßen Statuen auf dem Gelände verehrt werden, gab es viel zu wenig.
Dies brachte den überlebenden Juden den Vorwurf ein,
freiwillig auf die Schlachtbank geführt worden zu sein und zwar von den
zionistischen Juden, die sich bereits im Heiligen Land befanden. Erst hier
verstand ich die Auswirkung einer beispiellosen Verfolgung mit dem Bewusstsein
der eigenen Schwäche. Diese Geschichte eines Landes, das wenige Stunden nach
Staatsgründung von den umliegenden Feinden angegriffen wurde und weiterhin
bedroht wird, erschuf eine Kriegerkultur, die Schwäche und Unterwürfigkeit
nicht tolerieren kann. Dies mag manche Verhaltensweisen dieses Landes erklären.
Doch der Kampf fordert Blut und so ist es ganz passend, dass sich neben dem Museum auf dem Herzlberg die Soldatengräber befinden.
Doch noch ein paar Worte zum Museumsgelände. Um der ermordeten Kinder zu gedenken, wird der Besucher in einen dunklen Gang geführt, der in folgenden Spiegelaufbau führt. In diesem Lichtermeer werden im Hintergrund die Namen der Toten genannt. Bei etwa 1 ½ Millionen ermordeten Kinder wird diese Litanei mehrere Monate dauern, um wieder von Neuem beginnen zu können.
Doch auch den guten Taten wird gedacht. Am Ende des Museums befinden sich die Zeugnisse der Menschen, die sich für die Rettung der Verfolgten einsetzten und natürlich befindet sich in diesem Abschnitt auch des Schindlers Liste. Auf dem Gelände wurden für diese Menschen Bäume gepflanzt, sodass sich vor dem Grün ein kleines Schild mit Namen befindet.
Ich lebe also seit über zwei Monaten in einer Kriegerkultur
und durch diesen Bericht konnte ich dafür ein passendes Wort finden. Man kann
über Deutschland vieles sagen, doch aktuell vermag man seine Bewohner nicht als
Krieger zu bezeichnen und somit wuchs auch ich nicht mit dem Segen des Mars
auf. Diese Erfahrung werde ich verinnerlichen. Jeder Mann trägt einen Krieger
in sich, er muss nur entscheiden, wie er diesen auslebt.
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