Die Sonne scheint mir aus den Augen
Ich bin seit jeher ein großer Filmliebhaber, schon als Kind
war ich von dem Bewegtbild fasziniert. Am Anfang mag es noch die einfache
Unterhaltung gewesen sein, mit dem Alter und der Erfahrung interessierte ich
mich zunehmend für den künstlerischen und geistig-inhaltlichen Aspekt. Doch
wieso hierzu einen Film ansehen? Statt Schindlers Liste kann ich ein
Holocaust-Museum besuchen. Statt die Themen der James Bond Filme zu
vergleichen, kann ich eine kulturelle Abhandlung der jeweiligen Jahrzehnte
lesen und statt einem Antikriegsfilm kann ich mir eine Dokumentation ansehen.
Wieso überhaupt Kunst?
Im Gegensatz zur reinen Philosophie schafft Kunst uns die Ideen auf geistige und körperliche Weise einzuprägen. Ich mag noch so viele Museen besucht haben, noch so viele kluge Abhandlungen über die Würde des Menschen gelesen haben, erst Spielbergs Spielfilm (besonders die Endszene „Ich hätte mehr retten können“), verinnerlicht mir die Bedeutung all dessen.
Das Grab Oskar
Schindlers befindet sich nur wenige Schritte von der Dormitio entfernt.
Benutzt Jesus nicht auf gleiche Weise seine Gleichnisse? „Euch
ist’s gegeben, zu wissen die Geheimnisse des Himmelreichs, diesen aber ist’s
nicht gegeben.“ Einige Menschen mögen im Stuhlkreis die Fragen der Welt lösen
und nach den Antworten handeln, ich bestimmt nicht. Ich brauche einen geistig-körperlichen
Zugang durch Emotionen und fassbaren Bildern.
Und wieso schreibe ich das Ganze?
Am Donnerstag feierten wir Fronleichnam in der Grabeskirche unter Leitung des Patriarchen von Jerusalem. Die Kirche ist alt und schön anzusehen, die lateinischen Gesänge können noch als mystisch durchgehen, aber mir ist der Gottesdienst gerade zu verkopft. Mir fehlt der emotionale, der animalische Zugang, gerade wenn die Feierlichkeiten so lange andauern. Ein Lichtblick waren die schwertbehängten Männer, die mit ihren Stäben auf den Boden aufschlugen und die Prozession rund um die Grabkapelle mit ihrem archaischen Marsch anführten. Gerne mehr davon!
Doch vielleicht ist dieser Wunsch nur eine augenblickliche
Laune, bedingt durch die strenge Sonnenstrahlung. Diese verbrennt nicht nur die
Haut (was zu einem unerträglichen langanhaltenden Jucken führt), sondern wirkt
auch auf den Verstand.
Der Begriff „Jerusalem-Syndrom“ war mir bereits vor meiner
Anreise bekannt. Die Psychose führt zu religiösen Wahnvorstellungen und lässt
die Kranken glauben Propheten oder selbst Personen aus den biblischen Schriften
zu sein. Amüsant ist, dass der Wikipedia-Artikel
hierzu einen Mann zeigt, den ich nun selbst kenne. Bereits zu Pfingsten
wanderte er barfuß in die Dormitio und auch in der Grabeskirche war er
diese Woche zu finden. Nachdem ich mich die letzten zwei Wochen allzu
leichtfertig der Sonne ausgesetzt habe, kann ich nur sagen, dass diese dem Kopf
ganz schön zusetzen kann.
Und was macht man nach ein paar anstrengenden Tagen? Natürlich einen schönen Ausflug nach Ein Karem. Dort besuchten wir das Franziskanerkloster „S. John of the Desert“, feierten dort Gottesdienst und aßen in dem alten vollbemalten Refektorium der Mönche. Der Ausflug endete mit einem köstlichen Eis.
Da ich bemüht war die letzten Tage überwiegend im Schatten
zu verbringen, bin ich auch wieder halbwegs auf der Höhe. Mit der Sonne hier
ist wirklich nicht zu spaßen.
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