Auf den Spuren von Hermann Hesse

Lieber Leser, wir feiern inzwischen 5-monatiges! Und auch wenn ich schon solch eine lange Zeit in Einsiedeln bin, habe ich immer wieder Neues zu berichten.

Wie letzte Woche angekündigt, darf ich diese Woche wieder einen kleinen Reisebericht verfassen. Meine zwei Urlaubstage führten mich diesmal in den italienischen Teil der Schweiz, genauer nach Lugano.

Pater Thomas sprach zuletzt davon, dass die Schweiz nur schöne Ecken kennt und dies konnte meine Reise wieder bestätigen, doch das war nicht der Grund meines Ausfluges. Nicht einmal Lugano selbst wollte ich unbedingt sehen, sondern das Nachbardorf Montagnola. Dort lebte und starb der von mir sehr verehrte Literat Hermann Hesse, sodass man dem Ehrenbürger dort ein Museum widmete. Doch da eine Zugfahrt etwa 3 Stunden in Anspruch nahm und ich mich vor Ort nicht abhetzen wollte, mietete ich mir kurzerhand ein Hotelzimmer für eine Nacht und genoss die 2 Tage in Ruhe.

Einsiedeln verließ ich noch voller Schnee und kam gegen 10 Uhr in dem nicht unbedingt warmen, aber schneefreien Lugano an. Dort wurde mir gleich folgender Anblick beschert.

Spätestens nachdem uns Touristen eine schwarze Katze begrüßt hatte, hatte der Ort mein Herz erobert.

Wie bereits bei meinen vorherigen Reisen hatte ich ein gewisses Faible für die örtlichen Kirchen und begann meine Erkundung mit der Kathedrale San Lorenzo.

Zwischen Edelboutiquen und Luxushotels fand sich ein weiterer eindrucksvoller Bau, die St. Maria von den Engeln. Dort traf ich nicht nur auf einen Franziskanermönch mit echter Tonsur (im Gegensatz zu der eher unfreiwilligen, die manch älterer Mönch in Einsiedeln trägt), sondern auch auf ein beeindruckendes Wandgemälde, das die Kreuzigung und Szenen aus dem Leiden Christi darstellt.


Neben weiteren Kirchen erkundete ich die Stadt ganz ziellos und erfreute mich an dem italienischen Flair. Manchmal musste mich das weiße Kreuz auf rotem Grund daran erinnern, dass ich mich immer noch in dem gleichen Land aufhalte wie die Monate zuvor.

Leider waren die Temperaturen nicht gerade hoch, sodass ich mich eine Zeitlang im Hotelzimmer aufwärmen musste. Doch dann ging es auch weiter in den örtlichen Park „Parco Ciani“, der durch seine Gepflegtheit und Sauberkeit bestach. Nach einem Abendessen zog es mich nochmals dorthin, bis mich die Temperaturen in die nächstgelegene Bar drängten, in welcher ich den Abend mit einem guten Drink und dem Anblick des Luganer Sees ausklingen ließ.



An meinem zweiten Tag begab ich mich zu meinem ersehnten Ziel – Montagnola. Der Ort war mir bereits ein wenig durch eine Vielzahl von Hesses Malereien bekannt. Diese zeigten oft seltsam hohe Häuser mit wenigen Fenster, ersichtlich eine Stilisierung, aber gar nicht so weiter von der Realität entfernt.

Auch wenn es dramaturgisch der letzte Ort hätte sein müssen, führten mich die Spuren von Hermann Hesse zuerst zu seinem Grab. Der unscheinbare Ruheort zeigt seine Bedeutung nur durch die vielen Steine und kleine Gegenstände, welche die Besucher auf dem Grabstein hinterließen.

Doch Montagnola hat sich seit Hesses Ankunft verändert. Das eingeschlafene Dorf, das nach seiner Beschreibung wohl hauptsächlich von alten Kleinbauern belebt war, ist nun modern geworden. Bereits Hesse beschwert sich, dass seine liebste Malerwiese nun von einem reichen Bürger eingezäunt und zu einem Parkplatz umfunktioniert werden soll. Durch das ahornbewachsene Tal führt nun eine laute Autobahn. Da kam auch bei mir der Wunsch auf – wie bei Harry Haller – ein Gewehr zu packen und die ganzen Fahrer loszuwerden. Doch bei dem heutigen Verkehr würde eine ganze Wagenladung an Patronen nicht ausreichen. Neben den älteren und stilvoll renovierten Häusern fanden sich auch die üblichen seelenlos-kalten Neubauten. Nun mag Hesse mit den romantischen Beschreibungen seines Rückzugsortes nicht ganz unschuldig an dieser Entwicklung sein…


Doch wollte ich mir damit die Stimmung nicht verderben und betrat schnell das Museum. Neben einigen seiner Malereien und Alltagsgegenständen war der schönste Anblick natürlich Hesses Smith Premier Schreibmaschine auf seinem Schreibtisch, auf welcher er so wundervolle Werke wie den Steppenwolf oder das Glasperlenspiel schrieb. Inhaltlich unterstützt wurde die Ausstellung durch Videoaufnahmen von Volker Michels, dem Herausgeber vieler Hesse Schriften, dem ich auch meine vielen, vielen Lesestunden der gesammelten Werke von Hesse verdanke.



„Wahrer Beruf für jeden war nur das eine: zu sich selbst zu kommen.“ Ganz passend, dass ich diesen Künstler in meiner Klosterzeit näherkommen durfte.

Nach einem kurzen Kaffee und einem ausführlichen Gang durch Montagnola ging ich zurück nach Lugano, um meinen italienisch-schweizerischen Ausflug (natürlich) mit einem Eis zu beenden.


Doch mit diesem Ausflug fing die Woche erst an. Das Kloster Einsiedeln erhielt Besuch durch den derzeitigen Abtprimas der Benediktinischen Konföderation, Gregory Polan. Bei unserem gemeinsamen Kaffee stellte ihn mir Abt Urban kurz vor und ich durfte auch diese Persönlichkeit kennenlernen. Bei solchen Momenten muss ich manchmal innehalten und der Besonderheit dieser Begegnungen bewusst werden.


Und noch ein weiteres Erlebnis ist erwähnenswert – wirklich eine volle Woche…

Seit einigen Tagen befindet sich ein Künstler in unserem Kloster. Dabei handelt es sich um den Taiwanesen Lo Sen-Hao, einem international-bekannten Schöpfer von Tianmu-Schalen. Bei der klösterlichen Ausstellung konnten seine Stücke nicht nur betrachtet, sondern auch in Händen gehalten werden, um die Farb-Facetten der Keramik bestaunen zu können.

Lo Sen-Hao war es auch möglich Blätter in die Schale einzubrennen, wobei es selbst dem Hauskünstler Pater Jean-Sébastien ein Rätsel war, wie dies technisch zu bewerkstelligen ist. Doch besonders eindrucksvoll fand ich eine Schale, die dem Namen der Ausstellung mehr als gerecht wurde: „Augen des Universums“.

Meine amateurhaften Bilder können natürlich nur einen groben Eindruck bieten.


Der Künstler hielt auch einen etwa einstündigen Vortrag, der durch ein Spiel auf der japanischen Bambusflöte Shakuhachi gerahmt wurde. Der praktizierende Buddhist präsentierte uns dabei seine „asiatische Philosophie“ (in Ermangelung einer besseren Bezeichnung), indem er die Einheit aller Dinge sowie deren göttlichen Bezug betonte.

Als er in Einsiedeln wanderte, kam der Wunsch auf, eine seiner Schalen in die Erde einzugraben. Nachdem er in einer Meditation den „Bezirksgott“ um Erlaubnis bat, tat er dies auch und führte somit die aus Erde bestehende Schale zurück in ihre Heimat. Der Boden besteht dabei zu einem ähnlichen Anteil aus Eisen wie der menschliche Körper. Wenn wir vergehen, kann auch aus uns ein neues Gefäß geformt werden – der ewige Kreislauf der Teeschale.

Mit dieser spirituellen Einführung nahmen die Interessierten noch an einer Teezeremonie teil. Nicht Verköstigung, sondern Zeremonie. Der ziemlich gefüllt Raum ließ zwar wenig physische Ruhe einkehren, doch dies wurde durch die Präsentation mehr als ausgeglichen. Die Damen und Herren gossen vorsichtig das heiße Wasser in ihre Keramikkannen, um es nach idealer Ziehzeit in ein weiteres Gefäß zu füllen, damit das Wasser nicht zu lange mit der Teepflanze in Kontakt ist. Somit konnten wir den hervorragenden Tee in kleinen Schalen empfangen.

Der Geschmack meiner probierten Teesorten war köstlich und kann keinesfalls mit den handelsüblichen Teebeuteln verglichen werden. Und die langsame, feierliche Zubereitung machte die Zeremonie zu einer Erfahrung, die ich gerne wiederholen möchte, ob nun in der Gruppe oder für mich alleine. Ich freue mich schon darauf, dieses Interesse in meiner Korea-Zeit zu vertiefen.

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