Ein Hoch auf die Dekadenz

Eingesperrt in den Klostermauern, verpflichtet zu ununterbrochenem Gebet und gezwungen zu harter körperlicher Arbeit – so würde ich meine Klosterzeit nicht gerade beschreiben. Dennoch konnten die 2 ½ Monate ein wenig an meiner Substanz zehren und so trat ich mit dem Wunsch nach einem Kurzurlaub an Pater Thomas heran. Er erklärte mir Sklaven verdienen keinen Urla… Natürlich genehmigte er mir gleich freie Tage und so konnte ich den Montag und Dienstag ganz nach meinem Willen gestalten – ohne Gebet, ohne Arbeit und ohne Wecker.

Doch nur faul herumliegen konnte ich auch wieder nicht und da ich von Zürich bisher nur den Bahnhof gesehen hatte, wollte ich die bevölkerungsreichste Stadt der Schweiz besuchen. Nach einem stärkenden Kaffee spazierte ich durch die Bahnhofsstraße und war immer wieder von den altertümlichen und bunten Seitenstraßen angezogen, die sich von der westlich-modernen Stadtkulisse abhoben.

Der Klosteraufenthalt zeigte auch seine Wirkung und ich hatte den Drang, die örtlichen Kirchen aufzusuchen. Diese waren sehr eindrucksvoll und konnten mich (fast) durchwegs begeistern. Das Äußere der Kirche Enge hat mich angezogen und die runden Glasfenster verweilen lassen.

Die Kirche Liebfrauen hat eine eindrucksvolle Altarkulisse und zeigt an den Seitenwänden in prächtigen Bildern das Leben Jesu.

Besonders zu erwähnen sind die berühmten Chagall-Fenster im Frauenmünster (das historisch eine wichtige Unterstützung für Einsiedeln war), in welchen biblischen Geschichten in gewisser Abstraktion dargestellt sind, sodass auch nach längerem Betrachten immer wieder neue Details zum Vorschein kommen.

Enttäuscht war ich nur vom Großmünster. Dieses war nicht nur von dauerfotografierenden Touristen überfüllt (zu denen ich ja auch gehörte…), das Chorgestühl war offen zugänglich, sodass sich manche Besucher dort ganz profan ausruhten. Die Glasfenster fand ich teilweise unverschämt hässlich, sodass ich diese Kirche schnell und gerne wieder verließ.


Neben den geistlichen besuchte ich auch eine der bedeutendsten weltlichen Einrichtungen der Schweiz, die ETH (Eidgenössische Technische Hochschule) Zürich. Diese gilt als eine der besten Universitäten der Welt und zeigt dies auch mit seinen eindrücklichen Räumlichkeiten. Beeindruckt war ich von der christlichen Darstellung, die sich in der Nähe des Haupteinganges befindet. Ich habe das Gefühlt, dass sich dies in deutschen Universitäten aufgrund „religiöser Sensibilität“ seltener finden lässt…


Da man sich ja sonst nichts gönnt, legte ich im Café Odeon eine kleine Pause ein und genehmigte mir ein Cüpli Champagner.

Nach diesem kulturellen Hochgenuss musste ich auch noch Opernhaus sehen (und bin dort wohl mehr oder weniger eingebrochen, aber wenn die Türen offen sind und mich keiner aufhält, nutze ich eben meine Chance). So konnte ich auch einen Blick in den Saal werfen.

Nach einem idyllischen Spaziergang im chinesischen Garten landete ich bei folgender Statue. Nachdem mir aufgefallen war, wie sauber doch die Stadt war und selbst die öffentlichen Grünflächen frei von Abfall oder pöbelnden und betrunkenen Obdachlosen, dachte ich an einen Satz, den mir gegenüber ein Einsiedler Gym-Gänger aussprach: „Deutschland geht so langsam in den Arsch.“. Dadurch bekam Ganymed, der einen (Bundes-) Adler zu schlagen scheint, eine ganz andere Bedeutung. Ich bin froh in der Schweiz zu sein!

Diese Erkenntnis musste ich gleich mit einem Guinness aus Zürichs ältestem Pub begießen, um danach noch ein letztes Ziel zu verfolgen. Bei unserem dispensierten Sonntagsessen (uns war erlaubt zu sprechen) berichtete mir Kandidat Jaden von dem scheinbar „besten Döner der Welt“. Für den Kebap wird japanisches Wagyu-Filet mit dem höchstmöglichen Marmorierungsgrad genutzt und in einem Brioche-Brot serviert. Das Edel-Döner-Restaurant Ayverdis bietet diese Köstlichkeit für lediglich 91 Franken an – man gönnt sich ja sonst nichts.

Und so konnte ich in einsetzender Dunkelheit und tiefschwarzem Restaurant-Ambiente einen wahrhaft köstlichen Gaumengenuss verspeisen.

Mit befriedigtem Gaumen und bereits leicht schmerzenden Beinen begab ich mich zurück zum Bahnhof und dann auch schnell ins Bett.

Der Dienstag war ein fauler Urlaubstag. Lange schlafen, in der Sonne lesen und die Einsiedler Fasnacht genießen. Darunter auch das Pagatverbrennen vor dem Kloster.

Ganz passend, dass nach dieser Erholung auch gleich die Fastenzeit beginnt. Doch verzichten musste ich bisher nur auf meinen Zimmernachbarn Pascal, der seine Klosterzeit am Samstag beendet hat. Doch auch trotz diesem traurigen Abschied freue ich mich auf die Ankunft des neuen Klosterzeitlers Raphael, die gleich einen Tag später erfolgen soll. Denn auch wenn Ären enden, das Klosterleben geht weiter.

Kommentare

Beliebte Posts