Plötzlicher Abschied

13.08., 16:30 Uhr – abgesagt. 12.08., 13:55 Uhr – abgesagt. 09.08., 07:05 Uhr – abgesagt. Diesen Blogeintrag schreibe ich ungeplanter Weise bereits in Deutschland. Ursprünglich war geplant, dass ich am Dienstag das Heilige Land verlasse, doch die politischen Wirren machten dies unmöglich. Nachdem Israel einen Hamas-Anführer tötete, drohte der Iran mit einem Vergeltungsschlag. Dies ließ die Fluglinien ängstlich zittern, sodass mir insgesamt drei Flüge abgesagt wurden. Statt am Wochenende Jerusalem ein letztes Mal zu besichtigen, Geschenke für Freunde und Familie zu kaufen und mich in aller Ausführlichkeit bei den Mönchen zu verabschieden, erfuhr ich am Donnerstag, dass ich einen Tag später abreisen muss…

Doch ich greife vor, beginnen wir mit meinen Erlebnissen. Die Teilnehmer des Studienjahres nehmen an einer Wüstenwoche teil. Eine Woche wird durch die unwirtliche Landschaft gewandert, isoliert von der Zivilisation und stetigen Ablenkung. Da Bruder Abraham (damals noch mit seinem bürgerlichen Namen) an der Wüstenwoche teilnehmen konnte, schwärmte er regelmäßig von dieser Erfahrung. Für einen ersten Vorgeschmack einigten wir uns auf einen Vormittag und fuhren mit Pater Simeon nach Wadi Qelt.

Direkt neben einer jüdischen Siedlung findet sich ein Weg, der in den Wüstenabschnitt führt und den wir kurz nach Sonnenaufgang erreichten. Nach einem kurzen Abstieg fand sich bereits eine Oase, die sich neben einem römischen Aquädukt ausbreitete. Die Kriegsherren haben wirklich für die Ewigkeit gebaut.





Dem Grün folgend, erreichten wir ein Tal, das mir zum ersten Mal zeigte, wie Menschen in der Wüste ertrinken können. Der staubtrockene Boden ist kaum in der Lage Wasser aufzunehmen und so schießen die Massen bei Regenfällen (die auch kilometerentfernt sein können) durch diese Täler. Pater Simeon zeigte mir daraufhin ein Video, dass solch eine Wüstenflut zeigt. Selbst die informierten Schaulustigen unterschätzen die Wassermassen und da ist es naheliegend, dass Wanderer mitten im Tal nicht entkommen können.

Da die Schlucht bereits durch die Oase bewässert wurde, mussten wir den höhergelegenen Weg durch die pralle Sonne nehmen und erreichten schließlich das Kloster St. Georg. Unter normalen Zeiten von Pilgergruppen gestürmt, waren wir die einzigen Besucher vor Ort. Da das Eingangstor geschlossen war und um die Wüstenruhe der griechisch-orthodoxen Mönche zu wahren, drängten wir uns nicht auf und liefen nach kurzer Pause wieder zu unserem Auto.

Nun konnte ich also einen ersten Vorgeschmack auf die Wüste erhalten. Eine Erfahrung die ich einmal länger wiederholen möchte. Der Marsch und die Hitze erschöpfen der Körper schnell und früher hätte mich das abgeschreckt. Doch nachdem ich die Freuden des Sportes und der Muskelkraft entdeckt hatte, erkannte ich, dass diese erste Entkräftung überwunden werden muss, um einen Rausch, eine kräftigende Erschöpfung zu empfinden. Für den Couch-Potato unvorstellbar, ist der menschliche Körper zu erstaunlichem fähig. Der Extremsportler David Goggins nahm an dem Badwater Ultramarathon teil. Einem über 200 Kilometer langen Lauf im Death Valley, bei oft über 50 Grad. Und da soll ich wegen ein paar Höhenmetern schlappmachen? Niemals! Und mit dieser Einstellung lässt sich vieles ertragen.

Und nicht nur ertragen, mit dieser Einstellung lässt es sich besser denken. Ewig geschlafen, sich überfressen, mit leichtem Alkoholkater, natürlich erschafft dies nur Selbstzweifel. Der eigenen Stärke bewusst lässt sich besser denken und entscheiden. Jesus ging auch nicht 40 Tage mit seinen Jüngern zechen, dann hätte er sich definitiv gegen seine Kreuzigung entschieden.

Und nun kommen wir schon zu meinem Abschied. Eigentlich hatte ich noch Ausflugsziele für mein letztes Wochenende geplant, doch das wurde wie beschrieben vereitelt. Doch ich bin froh diesen Flug erhalten zu haben. Mir wurde berichtet, dass Volontäre aus Tabgha über Jordanien ausreisen mussten – es hat eben Vorteile, wenn die eigene Mutter Reisebürokauffrau ist.

Mir zu Ehren wurde die Komplet abgesagt und die Mönche und Volontäre saßen ein letztes Mal mit mir zusammen. Trotz der Kurzfristigkeit war es ein würdiger Abschied und ich konnte allen meinen Dank für die gemeinsame Zeit ausrichten.

Ein gemeinsames Abschiedsbild mit Pater Simeon kam auch noch zustande.


Und als ob es die Gartenkatze geahnt hätte, wartete sie am Ende meines Weges auf mich und ließ sich lange streicheln.

Nach dem Morgengebet fuhr mich Pater Simeon zum Bahnhof und eine halbe Stunde später befand ich mich am Flughafen. Da ich von der israelischen Fluglinie El Al einige Geschichten über umfangreiche Befragungen und Sicherheitskontrollen hörte, war ich früh genug da. Doch das Sicherheitspersonal war so gelangweilt wie üblich und mein Gepäck wurde schnell freigegeben, sodass ich viel zu früh den Flughafen erkunden konnte.

Im Flugzeug viel mir auf der Toilette eine Kleinigkeit auf. Den rechten Krug hatte ich bisher auf keinem Flieger entdecken können und wurde gleich an die Klagemauer erinnert. Dabei handelt es sich um ein Gefäß zur rituellen Waschung – es ist und bleibt eben eine jüdische Fluglinie.

Mein Zielort war Paris, nach einstündiger Metro- und siebenstündiger FlixBusfahrt, erreichte ich Karlsruhe und wurde um 4 Uhr von meinen Eltern abgeholt. Ein langer Tag…

Und so befinde ich mich wieder in der Heimat. Bereits nach Einsiedeln hatte ich nach der disziplinierten Klosterzeit einen Drang zur Dekadenz. Mein Magen schien alles aufnehmen zu können, was ich in meinen Mund schob und mit Weinglas in der einen und Zigarre in der anderen Hand genoss ich den deutschen Sonnenuntergang. Doch die Wüste erinnert mich an meine Erkenntnis, dies nicht zu übertreiben. Bereits heute setzt wieder eine gesunde Disziplin ein und ich fühle mich gut dabei.

Mit dieser positiven Einstellung werde ich meine restlichen Urlaubstage genießen und voller Vorfreude an Korea denken.

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