Spring

„Ich habe alles kaputtgemacht, weil ich mich selbst nicht gekannt habe.“ Rocky spricht diesen Satz, nachdem er gegen Clubber Lang verlor und erkannte, dass er nicht der unbesiegbare Boxweltmeister war, für den er sich hielt.

Mein Problem war das Gegenteil. Ich ging nie echte Herausforderungen an und verblieb in meiner Wohlfühlzone. Immer nur so viel tun wie gerade nötig, um den Erwartungen zu entsprechen und sich vor den echten Schwierigkeiten drücken.

In meiner Urlaubswoche saß ich im Freibad und las (wieder einmal) ein Buch über männliche Spiritualität, als der Bademeister den 10-Meter-Turm öffnete und recht kleine Kinder begannen hochzuklettern. Da ich noch nie aus dieser Höhe gesprungen bin, kam mir die Frage auf: Kann ich das auch? Eine leichte Angst stieg in mir auf und mir eröffneten sich zwei Wege. Entweder ich ignoriere den inneren Auftrag, fahre später nach Hause und schimpfe mich den ganzen restlichen Tag einen Feigling, oder aber ich bewege meinen feigen Arsch die Leiter hoch und springe. Früher wäre ich den falschen Weg gegangen.

Und früher hätte ich mich auch gegen Südkorea entschieden. Ein fremdes Land mit fremder Sprache und fremder Kultur, wie soll ich mich dort zurechtfinden? Doch genau diese Herausforderung brauche ich und sitze deswegen in Waegwan. Nach 12 Stunden Flug und 4 Stunden Zugfahrt erreichte ich mittwochabends den örtlichen Bahnhof und wurde freundlicherweise von 2 Mönche mit dem Auto abgeholt, da es wenige Minuten zuvor noch regnete. Die Kommunikation auf Englisch lief akzeptabel und im Kloster hörte ich schon die ersten Worte Deutsch. Waegwan ist eine Gründung der Erzabtei St. Ottilien und daher ist der Konvent eng mit den deutschsprachigen Ländern verbunden. Dort wurde mir gleich der Tagesplan präsentiert, beginnend mit 5 Uhr aufstehen – das ist mal eine Ansage.



Auf meinem Zimmer angekommen packte ich schnell den Koffer aus, um mich zeitig schlafen zu legen. Um 5:20 Uhr beginnt das morgendliche Gebet, natürlich in koreanischer Sprache. Das ist nicht gerade meine Uhrzeit, aber ich habe es mir ja so ausgesucht, den leichten Weg kann jeder gehen. Nach den Morgengebeten findet um 6:30 Uhr eine überraschend gut besuchte Messe statt, die für die Klosterbewohner in ein koreanisches Frühstück mündet. Neben der üblichen Brotzeit gibt es auch traditionellere Lebensmittel, die ich ungebildeter Weise nicht benennen kann, außer vielleicht noch Kimchi. Das Mittag- und Abendessen bereitete mir etwas Probleme, da hier nur Stäbchen und Löffel ausgegeben werden. Bisher umging ich die Problematik und verwendete zuerst der Löffel und dank meiner offensichtlichen Verzweiflung liegen an meinem Platz nun Messer und Gabel bereit. Doch auf Dauer werde ich den Umgang mit den Stäbchen lernen.


Meine Vorstellung vor der Gemeinschaft lief auch seltsam ab. Der Abt hatte mir bereits verkündet, dass er mich vorstellen wird und begann nach dem Essen mit einer längeren Rede. Bei dem Umfang dachte ich erst, er bespricht ein anderes Thema, bis die Worte Einsiedeln und Oliver fielen. Bestimmt waren seine Worte ganz herzlich.

Bei einer Klosterführung konnte ich auch weitere Mönche kennenlernen. Die Kommunikation war hier ähnlich, entweder gebrochenes Deutsch oder annehmbares Englisch, aber in Zweifelsfall fragt man einfach zweimal nach. Bisher blieb noch keine meiner Fragen unbeantwortet.

Waegwan ist nicht überwältigend groß und hat etwa 30.000 Einwohner. Zur Hälfte scheint die Stadt allerdings aus amerikanischer Militärbasis zu bestehen, sodass sich in manchen Vierteln die klischeehaften Burgerläden aneinanderreihen.

Ins Schwitzen gerate ich hier auch mal wieder. Die Temperaturen sind zwar „nur“ leicht über 30 Grad, doch bei hoher Luftfeuchtigkeit ist der Marsch durch die Stadt durchaus anstrengend. Da ist es nachvollziehbar, dass viele Einheimische mit einem Sonnenschirm durch die drückende Hitze laufen.



Die Woche endete mit einem Konzert. Als mir der Abt davon berichtete, sagte ich interessiert zu und erwartete ein überschaubares Publikum, wie dies bei kirchlichen Veranstaltungen leider recht üblich ist. Überraschenderweise musste ich mir einen Platz suchen, da die Kirche fast vollständig gefüllt war – die Koreaner scheinen mir kirchlich stärker engagiert, als ich dies aus der westlichen Welt kenne. Neben dem Orgel-, Cello- und Klarinettenspiel sang ein hervorragender Kinderchor – wie gesagt, sehr engagiert.

Und somit endet mein erster Einblick in das fremde Land. Ab nächster Woche werde ich meine Arbeit erhalten und damit noch stärker in die Gemeinschaft eingebunden sein. Das wird hier ein ganz besonderes Abenteuer!

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