Stern über Bethlehem, zeig mir den Weg.

„Das Fleisch ist fertig, wir müssen beten.“ In meinem Blog erwähne ich zu selten einen der wichtigsten Bestandteile des Klosterlebens – das Gebet. Der Tag beginnt und endet damit und ist auch sonst stetiger Bestandteil. Besonders deutlich wird mir dies in alltäglichen Situationen wie einem Grillabend. Am Dienstag reisten einige Mönche aus Tabgha an, um an der Kapitelsitzung teilzunehmen, welche mit einem Barbecue feierlich abgeschlossen werden sollte. Johannes und ich richteten dafür den Innenhof her, bereiteten das Grillgut vor und als ich schon dabei war, mir den ersten Spieß auszusuchen, wurde der oben geschriebene Satz gesprochen. Auch wenn der Abt nur ein kurzes Gebet aufsagte, bevor wir uns den Bauch füllten, war auch diese Tat wieder in einen religiösen Kontext gebettet.

Und diese Suche nach himmlischer Erfüllung schien sich diesen Abend bereits auszuwirken. Auf meinem Weg in das wohlverdiente Bett fand ich einen Gecko, der mit aller Kraft versuchte die Treppe hinaufzusteigen. Pater Basilius erklärte, dass ich ihn dort gerne belassen darf, da Geckos „nur in Häuser von glücklichen Menschen leben“.

Um uns von diesem langen Tag zu erholen, fuhren wir Volontäre am nächsten Tag nach Tel Aviv. Eigentlich habe ich keine große Lust auf Politik, doch in diesem Land kommt man kaum um die Konflikte herum, daher muss ich dies ab und an in meinem Bericht ansprechen. Als ich meinem Freund berichtete, dass ich mir diese Stadt ansehe, nannte er Tel Aviv die Hauptstadt von Israel. Das ist korrekt und wieder auch nicht. Für Israel selbst ist Jerusalem die Hauptstadt des Landes, sodass hier auch der Regierungssitz des Parlaments steht und der Ministerpräsident Netanjahu seinen Wohnsitz hat. Allerdings wird die Hauptstadt von den United Nations nicht anerkannt, da auch Palästina die Stadt als Hauptsitz deklariert und Jerusalem allgemein als eine Art Niemandsland zählt. Daher hat die deutsche Botschaft ihren Grund in Tel Aviv, auch wenn der israelische Regierungssitz über eine Stunde Autofahrt entfernt liegt.

Um in die Stadt zu kommen, verwendeten wir Volontäre allerdings nicht das Auto, sondern die Bahn. Eine kurze Überraschung bereiteten mir die Sicherheitskontrollen. Um in den unterirdischen Bahnhof zu gelangen, mussten wir unser Gepäck durchleuchten lassen und durch einen Metalldetektor gehen, also ganz ähnlich wie am Flughafen (auch wenn das Sicherheitspersonal noch gelangweilter aussah). Doch konnte ich mir die Erklärung schnell selbst geben. Nach den vielen Anschlägen in öffentlichen Verkehrsmitteln aufgrund der Intifada soll die Bevölkerung geschützt oder ihr zumindest ein Sicherheitsgefühl gegeben werden.

Nach der Fahrt genossen wir im Jaffa-Stadtteil ein ausführliches Essen, um uns nach einem Strandspaziergang in den Sand zu legen. Eine Abkühlung bot das Meer zwar kaum, aber angenehm war es dennoch zu schwimmen.



Tel Aviv ist das ziemliche Gegenteil von Jerusalem. Die Skyline könnte in jeder amerikanischen Küstenstadt zu sehen sein, Militär war kaum auszumachen, es gab keine Juden in traditionalistischer Kleidung, die Gesänge vor sich hinmurmeln. Der religiösen (und manchmal drückenden) Atmosphäre eines Jerusalems lässt sich also schnell entkommen. Nach einem weiteren Essen und dem Sieg der deutschen Nationalmannschaft fuhren wir wieder in das Heilige Land.

Nach dieser weltlichen Abwechslung ging es umso stärker in die geistliche und politische Welt zurück. Zusammen mit Pater Simeon fuhren Johannes und ich nach Bethlehem.

Hier nun wieder ein politischer Abstecher: Deutschland erkennt Palästina nicht als eigenständiges Land an. Den deutschen Behörden nach befanden wir uns also in Israel, oder im Niemandsland, oder haben für ein paar Stunden das bekannte Universum verlassen – wer weiß. Um es mir einfach zu machen: um nach Bethlehem zu fahren, mussten wir Israel verlassen und in Palästina einreisen.

Das palästinensische Staatsgebiet ist dabei von einer hohen Mauer umgeben und kann nur durch bewaffnete Checkpoints bereist werden. Es empfiehlt sich, den Reisepass mitzunehmen, sofern eine Nacht im Gefängnis nicht auf der eigenen Wunschliste steht.

In Betlehem besuchten wir zuerst die Geburtskirche und den franziskanischen Kirchenanbau, in welchem wir auch gleich Messe feierten. Durch Pater Simeons Ordensgewand konnten wir dabei direkt vor der Kirche parken – es bringt Vorteile mit einem Ordensmann zu reisen.




Nach der Feier besuchten wir die Geburtsgrotte im Herzen der Kirche. Europäisch werden die Krippenfiguren in einem Holzstall drapiert, historisch begab sich die Jesus-Familie aber eher in eine Höhle oder Grotte zum Schutz vor der Witterung.

In einer weiteren Grotte – der Milchgrotte – wird dem Brustgeben Jesu gedacht und nicht weit davon entfernt befinden sich die Hirtenfelder und der wahrhaftige Stern von Bethlehem (oder zumindest ein Andenken daran).


Unser nächstes Ziel erreichten wir nach den biblischen Besuchen und einem ausführlichen Mittagessen in Form eines Musikgeschäftes. Dort wollte Pater Simeon die beschädigten Gitarren des Studienjahres reparieren lassen, doch da er nun für vier Wochen im Urlaub ist, führten die Verhandlungen zu keinem Erfolg. Auf das Angebot, die Gitarren für den Monat zu lagern, erwiderte der Besitzer, aufgrund des (möglicherweise) anstehenden Libanon-Krieges, könne er nicht wissen, ob die Grenzen wieder dauerhaft geschlossen werden und dieses Risiko wolle er nicht eingehen. So wie das Leben im Heiligen Land durch die Religion geprägt ist, lässt sich, wie gesagt, das Thema Politik kaum vermeiden. Doch ich merke, wie mich letzteres immer weiter anödet und gleichgültig lässt bei Themen, über die ich vor einiger Zeit noch emotional und lange hätte diskutieren wollen. Meine Introspektion hat in der Klosterzeit die Überhand gewonnen und das ist auch gut so. Jordan Petersons Rat „Clean your Room“ – säubere (zuerst) dein Zimmer – konnte ich in den letzten Monaten verinnerlichen. Erst wenn ich mit mir im Reinen bin, kann ich in der Lage sein, die (Außen-) Welt positiv zu gestalten. Bis es soweit ist, möchte ich nicht unnötig viel Energie an das Diesseits verschwenden, auch wenn ich meine Augen weiterhin offenhalte, um zu beobachten. Und wer weiß, vielleicht erscheint dann auch mir ein Stern, dem ich in dieser Welt zu folgen habe.

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