Von Vater zu Sohn
Sigmund Freud beschreibt in Totem und Tabu seine ganz eigene
Version der Ursünde. Statt der Auflehnung gegen Gott und dem Verspeisen der
Frucht, sieht der Psychoanalytiker das erste Sakrileg in der
Tötung des Urvaters. Demnach konnte sich ein starker, scheinbar übermächtiger
Mann eine Vielzahl an Frauen aneignen, mit welchen er Kinder zeugte. Der Vater
dominierte seine Familienmitglieder und führte seinen Stamm als
Alleinherrscher. Doch die Söhne rotteten sich zusammen und ermordeten den
Tyrannen um ihrer Freiheit willen.
Da auf einen Tyrannen stets der nächste folgen kann,
einigten sich die Söhne darauf, dass kein Mann alle Frauen besitzen darf
(daraus schien sich auch ein rigoroses Inzestverbot zu entwickeln). Doch Stärke
und Macht fasziniert und so entwickelte sich aus Angst und Ansehen eine religiöse
Verehrung dieses mächtigen Urvaters.
Nicht gerade das schönste Bild eines Vaters…
Und wieso schreibe ich das Ganze? Diese Woche wurden im
Kloster gleich zwei Väter gefeiert, beide waren weder Tyrannen, noch wurden sie
ermordet.
Am Dienstag wurde dem heiligen Josef gedacht, dem Ziehvater
Jesu. Zwei Tage später Benedikt von Nursia, dem Ordensgründer der Benediktiner.
Und was macht diese beiden zu Vätern? Trotz widrigster Umstände sind sie ihrem Vater-Sein treu geblieben. Der heilige Josef bewahrte seine Familie vor einem mordenden König, der aus Angst vor seinem Machtverlust gleich alle männlichen Kleinkinder in Bethlehem umbringen lässt. Benedikt von Nursia bleibt seiner Regel treu, auch wenn ihn seine unterstellten Brüder aufgrund der Strenge mit vergiftetem Wein loswerden wollten – also doch ein gewisser Bezug zu obiger Geschichte. Doch im Gegensatz zum Tyrannen ist die Strenge nicht aus Selbstsucht geboren, sondern aus dem Wunsch, seine Brüder zu bessern. Mal davon abgesehen, dass ihn die Mönche selbst zum Abt gewählt haben, also selber Schuld…
Beide Männer begrüßen den Klostergast im Eingangsbereich.
Und was folgte aus den Vätern? Josef zog den Sohn Gottes
auf, Benedikt gründete die bedeutendste klösterliche Bewegung des Abendlandes. Ein
Vater ist also Vorbild, dem es nachzustreben (und stets verbunden zu
übertreffen) gilt. Ein Vater ist ein Leuchtstern am Himmel, die Fußstapfen, die
es zu füllen gilt, ein Sinnbild für seine Söhne. Und genau darum soll ihnen
gedacht werden.
In einer so vaterarmen Zeit bin ich froh, solch einen Vater
zu haben.
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