Besuch in Fribourg und im Irak
Und schon wieder ist eine Woche vergangen – die Zeit rast im
Kloster noch immer.
Meine Eltern fragten sich bei ihrem Besuch, wann die Weihnachtsdekoration
im Kloster wieder abgebaut wird, da dies in unserem Haushalt üblicherweise am
6. Januar erfolgt. Nun habe ich erfahren, wann die Weihnachtszeit offiziell
endet: am Sonntag nach dem Dreikönigsfest. Das war am 07.01. so weit und wir
durften wieder unter der Anleitung von Bruder Klemens das Dekor abbauen.
Solch eine Zugreise lässt man natürlich nicht ungenutzt und
ich konnte meine Fragelust während der Fahrt befriedigen. Nicht nur zu den
Einzelheiten des Klosterlebens, sondern auch einige theologische Fragen konnten
gestellt und beantwortet werden. Ich begreife allmählich, wie zentral doch die
Liebe im christlichen Glauben ist. Die vielen Gesetze und Kriegsgeschichten
können diesen Aspekt manchmal verschleiern.
Die Stadt selbst hat mir ziemlich gefallen. Der Mittelalter-Charme wird noch durch die vielen Kirchen gestützt, die sich teilweise Tür an Tür finden lassen, allem voran durch die Kathedrale St. Nikolaus. Ein paar Eindrücke, werter Leser, findest du hier:
Die Temperaturen fühlten sich noch geringer an als in
Einsiedeln. Ein bildliches Zeugnis der Kälte bietet der Jo-Siffert-Brunnen.
Eigentlich sollten mechanische Gebilde in der Mitte des Wassers erkennbar sein,
doch im Winter bilden sich jedes Mal neuartige Eisskulpturen.
Nach der Zugfahrt war der lange, aber schöne Tag auch schon
vorbei. Nochmals einen großen Dank an Pater Jean-Sébastien.
Damit sind meine Wochenerlebnisse eigentlich gut
zusammengefasst. Für den besonders interessierten Leser möchte ich hier noch
eine kleine Buchbesprechung folgen lassen.
Nach der spannenden Lektüre von Pater Thomas Dissertation „Aufbruch
und Widerstand“ (diese bietet einen Einblick in die Handlungen des Klosters vor
und während der Französischen Revolution, welche unter anderem zu der
Vertreibung der Mönche im Jahr 1798 führte) widmete ich mich einer gänzlich
anderen Thematik. „American Sniper“ von Chris Kyle ist eine Selbstbiografie des
amerikanischen Scharfschützen. Mit 160 bestätigten Abschüssen im Irakkrieg hält
Kyle den Rekord in der amerikanischen Armee.
Wieso sollte man solch ein Buch in einem Kloster lesen? Bei
meiner Ankunft vor 1 ½ Monaten las ich das Buch eines Extremsportlers (David
Goggins), der ebenfalls viele Jahre im Militär verbrachte und Kyles Buch
empfahl. Mich hat seine Geschichte fasziniert! Ein knallharter Mann, der in den
gefährlichsten Situationen die Ruhe bewahren kann um seine Mission zu erfüllen.
Ein Mann der in den Krieg zieht, nicht des Ruhmes oder Geldes wegen, sondern
weil er dies als Dienst an seinem Land empfindet und alles tut, um seine
Kameraden zu schützen. Trotz Schwierigkeiten bei der Heimkehr bleibt er dennoch
ein liebender Ehemann und Vater und sorgt sich um seine Mitmenschen.
Natürlich kann man dem Texaner vorwerfen, dass es ihm an
Selbstreflexion mangelt, er die Gründe des Krieges kaum hinterfragt oder seine
Gegner als „vom Bösen besessen“ bezeichnet, um damit Dutzende zu töten
rechtfertigt.
Und trotz aller Mängel (oder vielleicht auch gerade wegen
diesen), würde ich Chris Kyle als echten Mann bezeichnen.
David Goggins gibt dem Leser in seinem Buch früh den Auftrag
die eigenen Einschränkungen aufzuschreiben. Dazu zählt eine schlechte, aber
auch eine zu behütete Kindheit. Ich fürchte ich bin Opfer von Zweiterem
geworden. Liebende Eltern und Familienmitglieder, eine Schulzeit ohne Mobbing
mit engen Freunden, ein lehrreiches Studium und eine wundervolle Arbeit.
Furchtbar, nicht wahr?
Nie war ich mit ernsten Problemen konfrontiert, wurde nie
geschlagen, musste keine unerwarteten Todesfälle ertragen, bin nie ernsthaft an
meinen Aufgaben gescheitert. Ich habe zwar nicht immer das bekommen was ich
wollte, aber meistens genau das was ich gebraucht habe.
Aber gerade dadurch leide ich unter Selbstzweifel. Wie oft
habe ich mir über Dinge Sorgen gemacht, die entweder furchtbar banal waren oder
sich später als unproblematisch herausgestellt haben. Und auf der anderen
Seite, war diese Unsicherheit nicht gerade schuld an meinen Verfehlungen?
Ist ein Chris Kyle voller Sorge und Angst auf das
Schlachtfeld gerückt oder hat er sich mit seiner ganzen Stärke dem Feind
entgegengestellt? Da bin ich bald 25 und fühle mich noch zu oft wie ein
verschrecktes Kind.
Gerne kann die Klosterzeit für mich auch ein männlicher Initiationsritus
sein – nur bin ich mir noch unsicher wie.
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