Besuch in Fribourg und im Irak

Und schon wieder ist eine Woche vergangen – die Zeit rast im Kloster noch immer.

Meine Eltern fragten sich bei ihrem Besuch, wann die Weihnachtsdekoration im Kloster wieder abgebaut wird, da dies in unserem Haushalt üblicherweise am 6. Januar erfolgt. Nun habe ich erfahren, wann die Weihnachtszeit offiziell endet: am Sonntag nach dem Dreikönigsfest. Das war am 07.01. so weit und wir durften wieder unter der Anleitung von Bruder Klemens das Dekor abbauen.

 Die Mitte der Woche war etwas aufreibend. Der andere Klosterzeitler Pascal feierte seinen 30. Geburtstag in kleiner Runde. Natürlich habe ich wieder etwas zu viel Wein genossen. Ein Kater im Klosteralltag macht keinen Spaß – na ja, selber schuld.

 Am Samstag war Pater Jean-Sébastien so freundlich mich auf seinen Ausflug nach Fribourg mitzunehmen (Pascal feierte mit seiner Familie in Einsiedeln und konnte daher nicht daran teilnehmen). Früh begann die Fahrt in die französisch-sprechende Stadt.

Solch eine Zugreise lässt man natürlich nicht ungenutzt und ich konnte meine Fragelust während der Fahrt befriedigen. Nicht nur zu den Einzelheiten des Klosterlebens, sondern auch einige theologische Fragen konnten gestellt und beantwortet werden. Ich begreife allmählich, wie zentral doch die Liebe im christlichen Glauben ist. Die vielen Gesetze und Kriegsgeschichten können diesen Aspekt manchmal verschleiern.

Die Stadt selbst hat mir ziemlich gefallen. Der Mittelalter-Charme wird noch durch die vielen Kirchen gestützt, die sich teilweise Tür an Tür finden lassen, allem voran durch die Kathedrale St. Nikolaus. Ein paar Eindrücke, werter Leser, findest du hier:



Die Temperaturen fühlten sich noch geringer an als in Einsiedeln. Ein bildliches Zeugnis der Kälte bietet der Jo-Siffert-Brunnen. Eigentlich sollten mechanische Gebilde in der Mitte des Wassers erkennbar sein, doch im Winter bilden sich jedes Mal neuartige Eisskulpturen.

 Das Ziel unserer Reise war die Kirche Sainte-Marie. Eine Freundin Pater Jean-Sébastiens nahm an einem Künstlerwettbewerb zur Sanierung der Glasfenster teil und entging mit dem zweiten Platz knapp dem Sieg. Wir konnten mitten in den Renovierungsarbeiten des Gotteshauses die ersten acht Plätze des Wettbewerbs beäugen.

Nach der Zugfahrt war der lange, aber schöne Tag auch schon vorbei. Nochmals einen großen Dank an Pater Jean-Sébastien.

 

Damit sind meine Wochenerlebnisse eigentlich gut zusammengefasst. Für den besonders interessierten Leser möchte ich hier noch eine kleine Buchbesprechung folgen lassen.

Nach der spannenden Lektüre von Pater Thomas Dissertation „Aufbruch und Widerstand“ (diese bietet einen Einblick in die Handlungen des Klosters vor und während der Französischen Revolution, welche unter anderem zu der Vertreibung der Mönche im Jahr 1798 führte) widmete ich mich einer gänzlich anderen Thematik. „American Sniper“ von Chris Kyle ist eine Selbstbiografie des amerikanischen Scharfschützen. Mit 160 bestätigten Abschüssen im Irakkrieg hält Kyle den Rekord in der amerikanischen Armee.

Wieso sollte man solch ein Buch in einem Kloster lesen? Bei meiner Ankunft vor 1 ½ Monaten las ich das Buch eines Extremsportlers (David Goggins), der ebenfalls viele Jahre im Militär verbrachte und Kyles Buch empfahl. Mich hat seine Geschichte fasziniert! Ein knallharter Mann, der in den gefährlichsten Situationen die Ruhe bewahren kann um seine Mission zu erfüllen. Ein Mann der in den Krieg zieht, nicht des Ruhmes oder Geldes wegen, sondern weil er dies als Dienst an seinem Land empfindet und alles tut, um seine Kameraden zu schützen. Trotz Schwierigkeiten bei der Heimkehr bleibt er dennoch ein liebender Ehemann und Vater und sorgt sich um seine Mitmenschen.

Natürlich kann man dem Texaner vorwerfen, dass es ihm an Selbstreflexion mangelt, er die Gründe des Krieges kaum hinterfragt oder seine Gegner als „vom Bösen besessen“ bezeichnet, um damit Dutzende zu töten rechtfertigt.

Und trotz aller Mängel (oder vielleicht auch gerade wegen diesen), würde ich Chris Kyle als echten Mann bezeichnen.

David Goggins gibt dem Leser in seinem Buch früh den Auftrag die eigenen Einschränkungen aufzuschreiben. Dazu zählt eine schlechte, aber auch eine zu behütete Kindheit. Ich fürchte ich bin Opfer von Zweiterem geworden. Liebende Eltern und Familienmitglieder, eine Schulzeit ohne Mobbing mit engen Freunden, ein lehrreiches Studium und eine wundervolle Arbeit. Furchtbar, nicht wahr?

Nie war ich mit ernsten Problemen konfrontiert, wurde nie geschlagen, musste keine unerwarteten Todesfälle ertragen, bin nie ernsthaft an meinen Aufgaben gescheitert. Ich habe zwar nicht immer das bekommen was ich wollte, aber meistens genau das was ich gebraucht habe.

Aber gerade dadurch leide ich unter Selbstzweifel. Wie oft habe ich mir über Dinge Sorgen gemacht, die entweder furchtbar banal waren oder sich später als unproblematisch herausgestellt haben. Und auf der anderen Seite, war diese Unsicherheit nicht gerade schuld an meinen Verfehlungen?

Ist ein Chris Kyle voller Sorge und Angst auf das Schlachtfeld gerückt oder hat er sich mit seiner ganzen Stärke dem Feind entgegengestellt? Da bin ich bald 25 und fühle mich noch zu oft wie ein verschrecktes Kind.

Gerne kann die Klosterzeit für mich auch ein männlicher Initiationsritus sein – nur bin ich mir noch unsicher wie.

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