Wieso denn bitte ins Kloster?
Herzlich willkommen, werter Leser, zu meinem Klosterblog.
Mein Name ist Oliver Eber, ich bin 24 Jahre alt, gebürtiger
Pforzheimer und der hiesige Verfasser. Ich möchte hier meine Erlebnisse,
Gedanken und auch Gefühle niederschreiben, ich will hart mit mir ins Gericht
gehen und eines Tages nachverfolgen können, wie mich diese Zeit verändert hat. Vielleicht
kannst Du, lieber Leser, daraus deine eigenen Lehren ziehen.
Wie viel Zeit werden wir miteinander verbringen?
Voraussichtlich ein gesamtes Jahr. Geplant habe ich 6 Monate in Einsiedeln
(Schweiz), 3 Monate in Jerusalem (Israel) und 3 Monate in Waegwan (Südkorea) zu
verbringen.
Und wieso sollte ein junger Mann ein Jahr seines Lebens im
Kloster verbringen wollen? Diese Frage hat mir selbst meine (sehr) gläubige
Großmutter gestellt, als sie von meinen Plänen erfahren hat (zu ihrer
Verteidigung: Sie hatte befürchtet, dass es sich dabei um eine Weltflucht
handelt).
Meine Gründe sind vielfältig, alle möchte ich Dir nicht
mitteilen, dafür kennen wir uns nicht genug, aber eine kleine Erklärung kann
ich dennoch liefern:
Ich bin nicht gerade ein Vorzeige-Christ. Zwar bin ich
getauft, hatte meine Kommunion und war auch wenige Jahre Ministrant (was hauptsächlich
an dem Versprechen lag, den Europapark zu besuchen – was nie stattgefunden
hat!), aber wenig später war ich Teil der „New Atheism“-Bewegung. Der
Gotteswahn von Richard Dawkins war das erste Sachbuch, dass ich gelesen habe
und zusammen mit meinem guten Freund Marcel haben wir stundenweise Videos zu
diesem Thema angesehen. Irgendwann haben wir gar die Konfrontation gesucht und
mit den Zeugen Jehovas an ihren kleinen Ständchen diskutiert. Dabei haben wir
Kinder uns köstlich amüsiert, diese Erwachsenen argumentativ zu dominieren
(soweit zumindest unsere Vorstellung).
Auch wenn sich diese Phase irgendwann gelegt hat, war ich
dem Glauben, bzw. dem Christentum, weiterhin feindlich eingestellt. Bei einem
Urlaub mit ein paar Freunden mieteten wir uns eine kleine Berghütte in
Österreich und ich hielt es für besonders lustig, das dort aufgehängte Kreuz
erstmal umzudrehen – das war eben meine Form von „edgy humor“.
Und jetzt sitze ich in einem Kloster – was hat sich also
geändert?
Wieder war Marcel der Ausgangspunkt. Durch sein
aufstrebendes Interesse an Philosophie erkannte er wie infantil unsere damalige
Argumentation war. Wir hatten uns die schwächsten Gegner ausgesucht, nie haben
wir daran gedacht uns einem Thomas von Aquin oder Augustinus zu stellen – wobei
wir deren Texte damals wohl kaum verstanden hätten.
Also entstand ein gewisses Bedürfnis mich diesem alten
Themenfeld erneut zu widmen. Und was macht man, wenn man sich mit dem
Christentum beschäftigen will? Man kauft sich eine Bibel und liest diese von
vorne bis hinten durch. Damit hatte ich nun alles begriffen und wurde der
vorhin erwähnte Vorzeige-Christ…
Nichts hatte ich begriffen! Natürlich konnte ich irgendwie
der Handlung folgen und habe vielleicht auch grob verstanden was Jesus sagen
wollte, aber ich hatte mehr Fragen als je zuvor. Abseits der üblichen Themen (wieso
ist dieser liebende Gott so gewalttätig, wieso lässt er Leid zu, warum
offenbart er sich den Menschen nicht direkt, etc.) sind viele Stellen der Bibel
einfach merkwürdig. Eine Passage, die mir als sehr verwirrend im Gedächtnis
geblieben ist, findet sich im neunten Buch Mose und handelt von Noah:
Und da er von dem Wein trank, ward er trunken und lag im
Zelt aufgedeckt. Als nun Ham, Kanaans Vater, seines Vaters Blöße sah, sagte
er’s seinen beiden Brüdern draußen. Da nahmen Sem und Jafet ein Kleid und
legten es auf ihrer beider Schultern und gingen rückwärts hinzu und deckten
ihres Vaters Blöße zu; und ihr Angesicht war abgewandt, damit sie ihres Vaters
Blöße nicht sähen. Als nun Noah erwachte von seinem Rausch und erfuhr, was ihm
sein jüngster Sohn angetan hatte, sprach er: Verflucht sei Kanaan und sei
seinen Brüdern ein Knecht aller Knechte!
Was soll das denn bitte bedeuten? Und warum sollte solch ein
Text ausgerechnet in einem heiligen Buch vorkommen? So ganz verstand ich den
Sinn nicht und beging den Fehler nicht weiter darüber nachzudenken, sondern
weiterzulesen, denn die Bibel ist ein dickes Buch und ich wollte irgendwann
fertig werden.
Glücklicherweise fing ich kurz darauf an Jordan Petersons
berühmte Genesis-Vorlesung
anzuhören. Seine Erklärungen ließen mich die metaphorische Bedeutung und
psychologischen Implikationen zwar besser verstehen, aber die wichtigste
Erkenntnis war: Welch inhaltlicher Reichtum die Bibel doch beinhaltet!
Zu diesem Zeitpunkt hatte ich mit 22 Jahren nach dem Studium
meinen ersten wirklichen Beruf angetreten.
Werter Leser, wenn Du es bis hierhin geschafft hast, Chapeau!
Nach dieser Einleitung bin ich noch nicht einmal zur Erklärung gekommen
wieso ich überhaupt ins Kloster gegangen bin, oder was ich in der ersten Woche
erleben durfte. Dazu nächste Woche mehr. Wie der Titel des Blogs bereits
aussagt, wird hier von einer Seelenreise berichtet, da bleibt die reale Welt
manchmal etwas auf der Strecke.
Als Vorgeschmack kann ich schon mal ein Bild mit mir und
meiner täglichen Kulisse präsentieren.
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